Was ist eine Somatoforme Störung?
Menschen, die unter einer somatoformen Störung leiden, reagieren auf Stress, Druck und kritische Lebensereignisse mit körperlichen Symptomen. Dies sind häufig Symptome wie Rücken-, Kopf- oder Bauchbeschwerden, Übelkeit, Durchfall, Schwindel oder Schmerzen im Brustbereich, aber auch Fleckigkeit der Haut, Gliederschmerzen, Taubheitsgefühle, Herzklopfen, Schweißausbrüche oder Mundtrockenheit. Leichte Körperveränderungen oder –empfindungen werden als (lebens-)gefährlich oder Zeichen einer schweren Krankheit angesehen. Beim Besuch mehrerer (Fach-) Ärzte kann keine eindeutige medizinische Ursache festgestellt werden. Oft ist es schwer für die Betroffenen, dies zu akzeptieren.
Die körperlichen Beschwerden halten über eine längere Zeit an oder wechseln sich ab. Die Folge davon ist, dass sich die erkrankte Person ständig mit den Symptomen beschäftigt und einen „Ärztemarathon“ absolviert. Betroffene leiden sehr darunter, weil sie sich nicht ernst genommen oder allein gelassen fühlen. Manche Menschen haben Schwierigkeiten, ihre Gefühle wahrzunehmen und auszudrücken. Stattdessen drückt sich z. B. ihre „Wut im Bauch“ in Form von Bauchkrämpfen aus, ohne dass das dazugehörige Gefühl wahrgenommen oder benannt werden kann.
Bei dieser Störung ist Ihre ganze Aufmerksamkeit auf Ihre körperlichen Vorgänge ausgerichtet, was zu einer verstärkten Wahrnehmung von Symptomen führt. Dabei interpretieren Sie diese Symptome oft fälschlicherweise als Zeichen einer schweren Krankheit. Z.B. haben Sie Herzklopfen nach dem Treppensteigen und Sie interpretieren, dass dies ein Herzfehler sein könnte. Gesunde Körperempfindungen werden „katastrophiert“. Dies führt wiederum zu Angst und damit einem Ausstoß von Stresshormonen, womit erneut körperliche Symptome provoziert werden, z.B. noch stärkeres Herzklopfen. Sie richten Ihre Aufmerksamkeit erneut auf diese stärker werdenden Empfindungen, es entsteht ein Teufelskreis. Hinzu kommt ein unrealistischer Gesundheitsbegriff, nämlich die Überzeugung, dass ein gesunder Körper keine Beschwerden haben dürfe und dass ein Arzt immer sofort die Ursache erkennen müsse.
Die Entstehung dieser seelischen Störung wird oft durch genetische Aspekte, körperliche Veränderungen wie z.B. nach Unfällen, belastende Ereignisse in der Kindheit, z.B. Vernachlässigung, Verlust einer geliebten Person, ein häufig erkranktes Elternteil oder zurückliegende traumatische Erlebnisse begünstigt.
Eine somatoforme Störung ist mit Hilfe von verschiedenen Behandlungsmöglichkeiten gut therapierbar. Die Wirksamkeit von Psychotherapie ist erprobt und wissenschaftlich bestätigt.
Die Entwicklung Ihres Krankeitsverständnis und der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung sind sehr wichtig. Die körperliche Symptomatik nehme ich ernst und tue sie nicht als „Einbildung“ ab. Es erfolgt eine genaue Analyse der Symptomatik sowie die gemeinsame Erkundung der Umstände beim ersten Auftreten. Erst in einem zweiten Schritt werden mögliche Verbindungen zu psychischen Faktoren wie Stress exploriert. Besonders wichtig für eine dauerhafte Verbesserung sind das Erlernen eines gesunden Umgangs mit Ihrem Körper, eine angemessene Interpretation von körperlichen Empfindungen und ein realistisches Gesundheitskonzept. Auch der langsame Abbau Ihres Schon-und Kontrollverhaltens sowie Rückversicherungsverhaltens und die Reduzierung von Arztbesuchen werden wir in der Therapie anstreben. Weitere Ziele sind der Aufbau positiver Aktivitäten, Veränderung bzw. Stärkung Ihres Selbstbildes, Erhöhung Ihrer Belastbarkeit sowie Übungen zur Entspannung und zur Aufmerksamkeitslenkung. Ihre erlernte Selbstbeobachtung und deren Analyse erklären dann manche Zusammenhänge und mindern oder beheben Ihre Symptomatik.
Quellen und Lesetipp
Lieb & von Pein: Der kranke Gesunde. Stuttgart: Trias.
Richter: Schmerzen verlernen, Springer
Sachse: Schwarz ärgern – aber richtig! Paradoxe Ratschläge für Psychosomatiker